„Maria wurde mit Androhungen physischer Gewalt konfrontiert“

Anwältin berichtet über das Treffen mit Kolesnikowa in der Untersuchungshaft

9. September 2020, 21:22 | TUT.BY
Source: Olga Schukajlo, TUT.BY

Anwältin Ljudmila Kazak traf Maria Kolesnikowa in der U-Haft, berichtet der Telegram-Kanal des Stabs von Viktor Babaryko. 

Gegen Maria Kolesnikowa wird in einem Kriminalfall nach §3 des Artikels 361 des Strafgesetzbuches ermittelt. Sie wird verdächtigt, öffentlich zur Übernahme der staatlichen Macht oder zur Gewalt gegen die Verfassungsordnung der Republik Belarus aufgerufen zu haben. Sie befindet sich im Untersuchungsgefängnis No. 1. Das Ermittlungskomitee bestätigte, dass Maria Kolesnikowa, Maksim Znak und Ilja Salei festgenommen wurden.

Anwältin Ljudmila Kazak berichtete nach dem Treffen mit ihrer Mandantin, es gehe Maria gut, sie mache einen munteren Eindruck. Ihre Gefängniszelle teile sie mit sechs Insassinnen.

„Maria hat in Untersuchungshaft Hilfe erhalten – sie hatte einen erhöhten Blutdruck und Herzbeschwerden. Sie hat Blutergüsse am Körper, ihre Arme tun weh, da sie mit Gewalt ins Auto gedrängt und festgehalten wurde“, berichten Mitarbeiter des Stabes. Die Anwältin wird die Durchführung einer forensisch-medizinischen Untersuchung beantragen.

Nach Informationen der Anwältin wurde Maria Kolesnikowa am 7. September in der Nähe des Nationalen Kunstmuseums festgenommen und zur Behörde zur Bekämpfung organisierter Kriminalität und Korruption und danach zum KGB gebracht. Dort wurde sie aufgefordert, das Land freiwillig zu verlassen. Nachdem sie sich geweigert hatte, wurde sie mit Anwendung von Gewalt an die belarusisch-ukrainische Grenze gebracht.

Kolesnikowa hat keine Unterlagen zu ihrer Untersuchung erhalten. Das einzige Dokument, das ihr vorliegt ist die einstweilige Verfügung über die Prohibitivmaßnahmen, die von der Staatsanwaltschaft am 08. September genehmigt wurde. Das Dokument gibt keine Auskunft darüber, durch wen, wann und wo sie festgenommen wurde, sagt die Verteidigerin.

„Maria Kolesnikowa betrachtet die Ereignisse der letzten Tage als Entführung – eine schwerwiegende kriminelle Tat – und beabsichtigt zusammen mit ihrer Anwältin einen Antrag zu stellen, um alle Beteiligten an ihrer Entführung und dem Versuch, sie mit Anwendung von Gewalt außer Landes zu bringen, zu ermitteln. Alles, was Maria ihrer Anwältin berichtet hat, deckt sich mit der Geschichte von Iwan Krawtsow und Anton Rodnenkow,  die dazu gezwungen werden sollten, Maria in die Ukraine zu bringen. Außerdem wurde Maria mit Androhungen physischer Gewalt konfrontiert, die sie im Gebäude der Behörde zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption als sehr reell wahrnahm.  Maria wird ebenso die Untersuchung der Mordandrohungen beantragen“, – berichtet der Stab.

Nach Meinung der Anwältin, kann ein möglicher Verhör von Kolesnikowa morgens am 10. September stattfinden. Am Vorabend konnte der Vater von Kolesnikowa für seine Tochter ein paar notwendige Sachen im Untersuchungsgefängnis übergeben.

Am 20. August trat der Generalstaatsanwalt von Belarus auf mit der Aussage, dass die Gründung und Aktivität des Koordinationsrates auf die Machtübernahme in der Republik Belarus abzielen und somit die nationale Sicherheit des Landes gefährden. Ein entsprechendes Kriminalverfahren nach Artikel 361 des Strafgesetzbuches wurde eröffnet.