Belarus Daily | 12. Jan

Tsikhanouskis Brief aus dem Untersuchungsgefängnis veröffentlicht; er erzählte, wozu Lukaschenko fähig ist; politischer Gefangener, Blogger Ihar Losik seit fast einem Monat im Hungerstreik; Metropolit Filaret, der frühere Erzbischof der orthodoxen Kirche von Belarus, an den Folgen des Coronavirus gestorben; größte belarusische IT-Unternehmen ziehen nach Litauen

12. Januar 2021 | BYHelp-Mediagroup
Ihar Losik.
Source: Belaruspartisan

Der politische Gefangene Ihar Losik befindet sich seit 28 Tagen im Hungerstreik

Der belarusische Blogger Ihar Losik sitzt seit sechs Monaten hinter Gittern und wird gemäß Artikel über die Organisation und Vorbereitung von Aktionen, die die öffentliche Ordnung grob verletzen, angeklagt. Ihar Losik ist einer der Gründer eines beliebten Blogs auf Twitter und des Telegram-Kanals Belamova, ein freiberuflicher Berater für Radio Svaboda bezüglich der neuen Medien und Stipendiat des Václav Havel-Stipendiums für Journalisten.

Er wurde im Juni 2020, noch vor den Präsidentschaftswahlen, wegen Vorbereitung zur Störung der öffentlichen Ordnung verhaftet. Ihars Ehefrau Darja Losik hat ausführlich darüber berichtet.

Am 25. Dezember sollte die Höchstdauer seiner Inhaftierung ablaufen. Er wurde jedoch nicht freigelassen. Eine neue Anklage wurde erhoben: wegen Teilnahme an Ausschreitungen. Dies ist ein schwerer Strafparagraf, unter dem Losik bis zu 8 Jahre Gefängnis drohen. Als Reaktion auf die neue Anklage erklärte Losik einen unbefristeten Hungerstreik ab dem 15. Dezember 2020 und forderte, dass die Anklage fallen gelassen oder die verfahrenssichernde Maßnahme geändert wird.

Heute hat er in seinem Brief mitgeteilt, dass er seinen Hungerstreik nicht beenden wird.

„Ich bitte Euch alle sehr: Versucht nicht, mich zu überreden, meinen Hungerstreik zu beenden und aufzugeben. Wie kann ich aufgeben, wenn ich seit über sechs Monaten gesetzwidrig im Gefängnis festgehalten werde? Ich habe schon die Stimme meiner Tochter vergessen. Ich verstehe, dass meine Verwandten und alle besorgten Menschen sich viele Gedanken um meine Gesundheit machen. Aber ich kann und möchte nicht aufhören. Ich werde mein Leben selbst in die Hand nehmen, und ich habe immer noch die Kraft. Ich glaube an die Macht Eurer Solidarität.“ Losik dankte allen für die Unterstützung, stellte jedoch fest, dass er seit mehr als einer Woche keine Briefe mehr erhalten hatte, obwohl er wusste, dass mehrere Menschen an ihn geschrieben hatten. Er fügte hinzu, dass er das Strafverfahren gegen ihn für unbegründet halte. 

Sviatlana Tsikhanouskaya bat den politischen Gefangenen Ihar Losik, den Hungerstreik zu beenden. Am 12. Januar besprach Tsikhanouskaya in einer Sendung von Radio Svaboda diese Situation mit Darja Losik, der Ehefrau des politischen Gefangenen. „Sich aufzuopfern bringt nichts. Menschen sind dem Regime sowieso gleichgültig. Wir sehen, dass er nicht bereit ist, von seiner Grausamkeit abzulassen. Und ich möchte, dass Ihar an seine Familie denkt, weil seine Frau, seine Tochter und seine Eltern ihn brauchen“, sagte Tsikhanouskaya. Sie versicherte, dass sie ihrerseits enger in die Berichterstattung über die Probleme politischer Gefangener involviert sein wolle und über Ihars Hungerstreik nicht nur sprechen, sondern auch laut aufschreien würde.

Lukaschenko hat Tsikhanouskis Gespräche mit seinem Anwalt abgehört

Siarhei Tsikhanouski.
Source: TUT.BY

Siarhei Tsikhanouski, der seit knapp acht Monaten im Gefängnis ist, hat einen Brief an einen Journalisten von TUT.BY geschrieben, in dem er darüber erzählt, wozu Lukaschenko fähig ist, wie die Bedingungen seiner Inhaftierung sind, und dass seine Frau Sviatlana Tsikhanouskaya ein Beispiel für alle Belarusen ist. 

Sergej schreibt, dass Lukaschenko bei dem Treffen in der Untersuchungshaftanstalt sagte, dass es ganz allein von ihm abhängt, wer im Gefängnis sitzen wird. Siarhei Tsikhanouski glaubt, dass Alexander Lukaschenko mit niemandem verhandeln und seine Macht mit allen Mitteln verteidigen würde. Und wenn die Proteste aufhören, wird das Land zu einem Konzentrationslager.

Außerdem, so Tsikhanouski, habe Lukaschenko seine Gespräche mit dem Anwalt abgehört, was illegal sei.

Der Prozess im „Tsikhanouski-Fall“ hat heute begonnen. Der politische Gefangene Uladsimir Njaronski, der Gründer des YouTube-Kanals „Sluzk fürs Leben“, sitzt auf der Anklagebank. Er ist seit Mai 2020 in Haft. Ihm wird vorgeworfen, sich mit Sergej Tsikhanouski verschworen zu haben, um Gruppenaktionen zu organisieren, die die öffentliche Ordnung grob verletzen. Njaronski selbst sagte vor Gericht aus, er gebe zu, dass er wirklich Videos auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht hat, in denen er sich sehr emotional aussprach, aber er habe keine Absprachen mit Tsikhanouski und anderen Personen getroffen. Uladsimir sagte, dass ihm mit KGB-Gefängnis gedroht wurde, als er noch den YouTube-Kanal leitete. Während seiner Haft musste er sich kahl rasieren, damit ihn keine Läuse fraßen. Er verbrachte 152 Tage im Gefängnis, 60 Tage in Einzelhaft, ging 21 Mal unter die Dusche und war nur 5 Mal im an der frischen Luft.

Uladsimir Njaronski.
Source: NAVINY.BY

Der ehemalige Erzbischof der belarusisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Filaret, ist gestorben. Er war mit dem Coronavirus infiziert

Metropolit Filaret.
Source: TUT.BY

Von 1990 bis 2013 leitete der Metropolit Filaret die belarusisch-orthodoxe Kirche. Unter seiner Leitung wurden alle überlieferten Diözesen in Belarus wiederbelebt, die Tätigkeit von Männer- und Frauenklöstern, Bruderschaften und Schwesternschaften wieder aufgenommen. Die kirchlichen und weltlichen Autoritäten würdigen seinen großen persönlichen Beitrag zur geistigen Wiederbelebung der belarusischen Gesellschaft, zur Entwicklung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat, zur Erziehung der Barmherzigkeit und der christlichen Werte in den Menschen sowie zur Wiederherstellung von Tempeln und Kirchen. Metropolit Filaret wurde von den Gläubigen sehr geschätzt, er galt als einer der beliebtesten und angesehensten belarusischen Erzbischöfe.

Am 16. Dezember 2020 wurde Metropolit Filaret mit Coronavirus ins Krankenhaus eingeliefert. Sviatlana Tsikhanouskaya hat ihr Beileid anlässlich des Todes von Metropolit Filaret ausgesprochen.

Laut Euroradio wurde Metropolit Filaret am 14. Dezember mit dem Coronavirus infiziert, als die führenden Mitglieder der Belarusischen Orthodoxen Kirche zu seinem Namenstag erschienen waren. Belarus befand sich damals auf dem Höhepunkt einer neuen COVID-19-Infektionenswelle, aber kein einziger Geistlicher hielt es für notwendig, eine Schutzmaske zu tragen.

Priester gratulieren Metropolit Filaret am 14. Dezember 2020.
Source: t.me/euroradio

Immer mehr Menschen sterben an dem Coronavirus. Statistiken werden vertuscht, die notwendigen Maßnahmen werden nicht ergriffen

Trotz des starken Anstiegs des Coronavirus im Land ergreift die belarusische Regierung nicht die Maßnahmen, die in anderen Ländern zur Vorbeugung der Krankheit führen. Das Gesundheitsministerium beschränkte sich nur auf allgemeine Empfehlungen. Heute ist Tazzjana Areschka, Dozentin am Lehrstuhl für Informationstechnologien in der Kultur der Belarusischen Staatlichen Universität für Kultur und Kunst, an Covid-19 verstorben.

Nach Angaben von Universitätsstudenten nahm Tazzjana Areschka persönlich Semesterarbeiten von Studenten aus dem zehnten Semester entgegen, da die Studenten verpflichtet waren, mitten in der Epidemie zu kommen und ihre Arbeit abzugeben.

Der Unterricht an weiterführenden Schulen und Universitäten wird fortgesetzt. Kinder werden nicht in den Hausunterricht geschickt, die Abwesenheit vom Unterricht gilt als unentschuldigtes Fehlen, man droht, keine Zeugnisse auszustellen.

Es ist anzumerken, dass Belarus auch in Bezug auf den Anteil der Ärzte an den Todesfällen den meisten Ländern der Welt weit voraus ist, 15-mal mehr als in Italien und 30-mal mehr als in den Vereinigten Staaten.

Erst heute, am 12. Januar, wurden aufgrund von COVID-19 Änderungen in Belarus eingeführt. Den Arbeitgeber:innen wurde erlaubt, den Arbeitnehmer:innen einen bezahlten Urlaub für die Selbstisolation zu gewähren.

Außerdem dürfen Arbeitnehmer:innen aufgrund eines Krankheitszustands für bis zu drei Tage ohne Attest zu Hause bleiben. Gleichzeitig wird im Land keine Quarantäne eingeführt.

Mehr als 60 belarusische Unternehmen verhandeln über einen Umzug nach Litauen

Source: euroradio

Die Ministerin für Wirtschaft und Innovation Litauens Aušrinė Armonaitė berichtet, dass mehr als 60 Unternehmen aus Belarus über einen Umzug nach Litauen verhandeln. Sie merkte an, dass das belarusische Regime im vergangenen Jahr viele Unternehmer:innen gezwungen hatte, das Land zu verlassen, und dass Litauen komplexe Umsiedlungsprobleme lösen musste. Seit Beginn der Proteste in Belarus haben Epam Systems, Wargaming, Flo, Godel Technologies und andere ihre Pläne angekündigt, sich in Litauen niederzulassen. Diese Stimmung verstärkt sich nicht zuletzt dadurch, dass die gesenkte Einkommensteuer für HTP-Mitarbeiter seit Neujahr gestrichen wurde. Das Ministerium für Wirtschaft und Innovation bereitet derzeit zusammen mit Invest in Lithuania und dem Ministerium für Migration Änderungen des Gesetzes über Investitionen, Beschäftigung und Rechtsstatus von Ausländern vor, die es Investoren erleichtern sollen, ihre Mitarbeiter nach Litauen zu versetzen.


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