„Lukaschenko konnte keine 80,1% der Stimmen bekommen.” Die Internet-Plattform „Golos“ veröffentlichte eine Zwischenanalyse der Wahlergebnisse.

14 August 2020, 17:40, TUT.BY

Die Internet-Plattform “Golos” hat in Kooperation mit der Initiative “Honest People” eine Zwischenanalyse der Präsidentschaftswahlergebnisse auf ihrem Telegram-Kanal veröffentlicht. Laut den Plattformvertretern basiert die Analyse auf der Gegenüberstellung der offiziellen Protokolle der lokalen Wahlkommissionen und der Daten der Wähler. 

Die Abbildung hat einen illustrativen Charakter. Bild: Scott Graham / Unsplash

Zum jetzigen Zeitpunkt haben sich über 1,24 Millionen Nutzer auf der „Golos“-Plattform registriert. Diese Nutzer haben bereits 507.477 Wahlzettel hochgeladen.

Die Entwickler von “Golos” berichten in ihrer Pressemitteilung, dass sie trotz Internet-Blockaden bereits mehr als 500.000 fotografierte Stimmzettel erhalten und überprüft haben. Sie fanden fast 300 Wahllokale, in denen die Wahlergebnisse mutmaßlich gefälscht wurden. 

„Zusammen mit dem ganzen Land verurteilen wir die Brutalität und die Gewalt, mit der die Behörden vorgehen. Und wir rufen dazu auf, alle Handlungen zu unterbinden,  die das Recht der Menschen auf Freiheit und freie Willensäußerung unterdrücken. Wir haben eine umfangreiche Datenbank zusammengestellt, auf deren Grundlage wir bereits mit Gewissheit feststellen können können: Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen wurden gefälscht. Innerhalb weniger Tage werden wir einen detaillierten landesweiten Bericht veröffentlichen, aber schon heute haben wir Beweise dafür. Wir freuen uns, dass viele Wahlkommissionen die Entscheidung des Volkes respektiert und die Stimmen wahrheitsgemäß ausgezählt haben. Zugleich sind wir enttäuscht, dass Hunderte und möglicherweise Tausende von Wahllokalen als solche, die die Stimmen der Menschen gestohlen haben, auf der Online-Karte der „Golos“-Plattform erscheinen werden.” – erklärten die Entwickler.

Außerdem wurde im Telegram-Kanal berichtet, dass bis zum 14. August die Protokolle der 989 von 5.767 Wahllokalen bereits bearbeitet wurden. Nach dem Vergleich der offiziellen Wahllokalprotokolle mit den Fotos von Stimmzetteln der Plattformnutzer wurden „mindestens 298 Wahllokale, in denen die Wahlergebnisse manipuliert wurden“ aufgedeckt. Somit beträgt der Anteil der „unehrlichen“ Protokolle knapp 30%.

Allerdings hänge diese Zahl in erster Linie von der Anzahl der bearbeiteten und überprüften Stimmzettelfotos pro Wahllokal ab, sagten die Entwickler. Es sei wichtig zu beachten, dass die Protokolle in der Reihenfolge bearbeitet wurden, in der sie empfangen wurden – es gab keine spezielle Stichprobe von Standorten oder Protokollen. 

Laut offiziellen Wahllokalprotokollen hat Swetlana Tichanowskaja bereits 393.193 Stimmen in den analysierten 989 Wahllokalen erhalten. Das sind 66,8% der 588.622 Stimmen, die sie laut Zentraler Wahlkommission bei den Wahlen insgesamt bekommen hat. 

Arithmetisch gesehen kommen auf die übrigen 4778 Wahllokale (83% der Gesamtzahl) nur 33,2% der Stimmen für Swetlana Tichanowskaja. Auf dieser Grundlage kann bereits festgestellt werden, dass sogar die offiziellen Daten der Wahllokalprotokolle deutlich von den öffentlich verkündeten Ergebnissen der Zentralen Wahlkommission mit Sitz in Minsk abweichen. 

Auch die Statistiken über den Präsidentschaftskandidaten Alexander Lukaschenko lässt einige Fragen offen. In denselben nach dem Zufallsprinzip bearbeiteten 989 Wahllokalen erhielt er nach offiziellen Protokollen 62,5% der Stimmen. Das ist deutlich weniger als die Abschlussergebnisse der Zentralen Wahlkommission – 80,1% der Stimmen. Es ist wichtig sich vor Augen zu führen, dass selbst die Zahl 62,5% wegen mutmaßlicher Fälschungen als sehr unglaubwürdig erscheint, denn solche Fälschungen wurden fast in jedem dritten bis dato bearbeiteten Wahllokal festgestellt. Dies bedeutet, dass das Ergebnis 80,1% sowohl mathematisch als auch logisch unmöglich ist. 

Um Fälschungen zu erkennen, werden die offiziellen Ergebnisse der lokalen Wahlkommissionen mit der Anzahl der Stimmzettelfotos in der „Golos“-Plattform verglichen. Wenn die Plattform bei einem Wahllokal mehr Fotos von Stimmzetteln für einen Kandidaten registriert, als im offiziellen Protokoll angegeben, dann gibt es allen Grund zur Annahme, dass die Ergebnisse gefälscht wurden.

Auf der „Golos“-Plattform kann man mit Hilfe von der Karte der Manipulationen sehen, wie die Daten analysiert wurden.

Данные на 17.25 14 августа
Datum: 14. August, 17:25

Die Annahme der Stimmzettelfotos und die Datenverarbeitung gehen weiter.

Der Abschlussbericht der Plattformen “Golos”, „Zubr“ und „Honest People“ wird am 18. August veröffentlicht – nachdem alle Daten bearbeitet wurden. Der Bericht wird Detailinformationen für jedes Wahllokal enthalten, inklusive der Informationen über die Verstöße und Fälschungen. Die einzelnen Wahllokalprotokolle, die Grundlage für die Berechnungen, werden auch veröffentlicht. Außerdem werden auf der Online-Karte der „Golos“-Plattform alle hochgeladene Wahlzettel sichtbar, damit die Nutzer ggf. ihre eigene Berechnungen anstellen könnten.

Aus Belarus erreicht man die Plattform über VPN unter https://belarus2020.org

Nutzer können die Bilder ihrer Stimmzettel immer noch über die Chat-Bots der Plattform “Golos” auf Viber und Telegram abschicken.

  • Die vorläufigen Ergebnisse der Plattform “Golos” und der Initiative “Honest people” können unter diesem Link angesehen werden
  • Die Daten zu den Wahllokalen, welche als Basis für die Auswertungen genutzt werden, befinden sich hier
  • Karte der Manipulationen

Die Situation um die Plattform „Golos“

Am 6. August befahl Alexander Lukaschenko, die Rechtmäßigkeit der Initiativen zur alternativen Stimmenauszählung zu prüfen. 

Er sagte: Ein weiteres Thema, das aufgekommen ist, ist diese alternative Stimmenauszählung am Wahltag. Sowohl die Generalstaatsanwaltschaft als auch die Gerichte sollen die Rechtmäßigkeit solcher Initiativen prüfen.”

Am selben Tag veröffentlichte die Leiterin der Zentralen Wahlkommission, Lidija Jermoschina, eine Videobotschaft, in der sie ihr Bedauern äußerte, dass „in unserem Land ein politischer Betrug namens Internet-Plattform „Golos“ verübt wird”. 

Was Ihnen geboten wird, ist die Erschaffung einer Schattenwahlkommission”, sagte die Leiterin der Zentralen Wahlkommission und bezeichnete die Plattform als „ein schädliches und kriminelles Projekt.“

“Sie versuchen uns zu überzeugen, dass man dadurch die Kontrolle über die Willensäußerung bekommt. Nein, meine Lieben, das ist keine Kontrolle. Das ist die Darstellung eines verzerrten Wahlergebnisses, um das offizielle Wahlergebnis abzuwerten und Massenunruhen zu organisieren. Dafür wird es getan”, wetterte Jermoschina.

Das Projektteam von “Golos” antwortete der ZWK-Leiterin, „Das einzige Ziel der „Golos“-Plattform ist es, sicherzustellen, dass die offiziellen Ergebnisse der Wahrheit entsprechen. Dies ist ein Dienst, der sich für keinen der Kandidaten einsetzt und somit das Wahlergebnis nicht verzerren kann.“
Nach den Äußerungen von Lukaschenko und Jermoschina hat die Generalstaatsanwaltschaft entschieden, dass die Online-Plattformen „Golos“ und „Zubr.in“, die zum Fotografieren und Hochladen von Stimmzetteln sowie zur Teilnahme an einer alternativen Auszählung der Stimmen auffordern, Meinungsumfragen und Recherchen ohne eine entsprechende Akkreditierung durchführen. Dafür müssen die Gründer der Plattformen zivilrechtlich belangt werden.