Belarus Daily | 30. Mai

Roman Protasewitsch mit Ion Raţiu-Demokratiepreis ausgezeichnet; litauische und polnische Behörden fürchten um die Sicherheit belarusischer Flüchtlinge; „Wir werden verfolgt, inhaftiert, vernichtet“ – The Guardian über die Situation in Belarus

30. Mai 2021 | Voice of Belarus
Roman Protasewitsch.
Source: BELSAT

Roman Protasewitsch mit Ion Raţiu-Demokratiepreis ausgezeichnet

Am 28. Mai verkündeten in London die gemeinnützige Stiftung Raţiu Family und Woodrow Wilson International Center for Scholars den Gewinner des speziellen Ion Raţiu Democracy Award-Preises, der in diesem Jahr der belarusische Blogger und Aktivist Roman Protasewitsch wurde. Er wurde am 23. Mai 2021 nach der Notlandung eines Ryanair-Flugzeugs am Flughafen Minsk festgenommen und befindet sich jetzt in der Untersuchungshaftanstalt des KGB.

Protasewitsch erhielt nicht nur den Preis, sondern auch das Ion Rachu-Stipendium für Demokratie im Jahr 2021.

Er wird die Gelegenheit haben, das Wilson Center in Washington DC zu besuchen und dort drei Monate lang mit Politikern, Medien und Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten.

Der Präsident des Europäischen Parlaments schlug vor, das Foto von Protasewitsch in allen EU-Flughäfen zu platzieren. David-Maria Sassoli verwies auf die „starke und einstimmige“ Reaktion der Europäischen Union auf die Ryanair-Landung und die Festnahme von Roman Protasewitsch und seiner Freundin Sofia Sapega. Er besteht darauf, bis zur Freilassung von Protasewitsch und Sapega weiterhin Druck auf Lukaschenko auszuüben.

„Wir wissen nicht, wozu das Regime fähig ist“: litauische und polnische Behörden fürchten um belarusische Flüchtlinge

Source: Euroradio

Die litauischen Behörden schlugen vor, mehr Geld aus dem Staatshaushalt bereitzustellen, um belarusische Politiker*innen und Flüchtlinge, die in Litauen leben, zu schützen. Und die Belarus*innen selbst wurden gebeten, „keine persönlichen Informationen in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen“.

Polnische Beamte haben auch Belarus*innen zur Vorsicht aufgefordert. Der stellvertretende Außenminister Pavel Yablonsky sagte: „Wir wissen nicht, wozu das Regime fähig ist.“

„Wir werden verfolgt, wir werden eingesperrt, wir werden vernichtet“ – The Guardian über die Situation in Belarus

Source: NN.BY

Nach Meinung einer der angesehensten Zeitungen der Welt, The Guardian, sind belarusische Journalist*innen und Aktivist*innen Opfer der größten Repressionen seit der Zeit der Sowjetunion geworden. Massenverhaftungen und weit verbreitete Folter, die im letzten Sommer begannen, ein ständiger Strom von Prozessen und Strafverfolgungen haben jede Illusion zerstreut, dass Lukaschenko eines Tages seinen Griff um die Macht lockern würde.

Einer der politischen Gefangenen Witold Aschurak, der wegen der Teilnahme an friedlichen Demonstrationen zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, starb nach offiziellen Angaben im Gefängnis an einem Herzinfarkt. Als Aschuraks Körper jedoch zu seiner Familie zurückgebracht wurde, war sein Kopf vollständig mit Bandagen bedeckt, nur sein Mund war sichtbar. Einen Monat vor seinem Tod berichtete Aschurak, dass politische Gefangene gezwungen wurden, gelbe Abzeichen auf ihrer Kleidung, die sie als Extremisten auswiesen, zu tragen. Nachdem er offenbar in einem Karzer untergebracht wurde, veröffentlichte die Regierung ein Video von ihm, wie er kurz vor seinem Tod in Ohnmacht fällt und sich den Kopf stößt. Warum er das Bewusstsein verlor, bleibt ein Rätsel, obwohl einige seiner Angehörigen glauben, er sei geschlagen oder gefoltert worden.

Unabhängige Medien stehen ebenfalls unter beispiellosem Druck. Eine der führenden Nachrichtenseiten des Landes, TUT.BY, wurde blockiert und mindestens acht Mitarbeiter wurden im Rahmen einer Steuerhinterziehungsuntersuchung festgenommen. Der Fall wird von vielen als politisch motiviert angesehen. „Wir werden verfolgt, wir werden verhaftet, wir werden zerstört“, sagte eine anonyme belarusische Journalistin.

Hetzjagd der Behörden auf ein weiteres unabhängiges Medienunternehmen

Aljaxej Schota.
Source: NN.BY

Am Nachmittag des 30. Mai 2021 wurde der Chefredakteur von Hrodna.life, Aljaxej Schota, in Hrodna festgenommen, als er mit seinen Kindern zu Hause war.Aljaxej wurde später bis zur Gerichtsverhandlung freigelassen. Gegen ihn wurde gemäß Artikel 19.11 des Ordnungswidrigkeiten -Gesetzbuches (Verbreitung extremistischer Informationen) ein Protokoll für die Tatsache erstellt, dass sie in einem der Materialien auf der Seite ein Bild mit einem Wasserzeichen eines Telegram-Kanals gepostet haben, das als extremistisch eingestuft wurde. Aljaxejs Mietwohnung wurde durchsucht, ein Laptop, drei alte Festplatten und ein weiß-rot-weißer Regenschirm wurden mitgenommen.

Es ist rätselhaft, dass die Polizei das Video von Schotas Festnahme zwei Tage vor seiner Verhaftung am 28. Mai 2021 veröffentlichte.

Am selben Abend standen Einsatzkräfte vor dem Eingang des Treppenhauses von Iryna Novik, Redakteurin für spezielle Projekte von Hrodna.life. Iryna ist noch zu Hause.

Im Winter wurde der Chefredakteur des Verlages zu einer Geldstrafe von insgesamt etwa 5.000 Dollar verurteilt, weil die Polizei mehrere Links zu einem als extremistisch eingestuften Telegram-Kanal auf der Website der Publikation gefunden hatte.